Hei­mat der Mär­chen

Bergfreiheit: Das Schneewittchendorf im Kellerwald

Eine Landschaft, wie sie im Bilderbuch steht. So zauberhaft, dass hier die Figuren aus den Grimm'schen Märchen lebendig werden könnten. Das ist Nordhessen, die Heimat der Brüder Grimm. Unsere Reise zu den märchenhaften Orten beginnt im Norden, wo sich die Trendelburg auf einem Bergsporn über der Diemel erhebt. Ein langer, geflochtener Zopf hängt von den Mauern des Bergfrieds herab, in dem Rapunzel auf ihren Prinzen wartet. Ganz in der Nähe, inmitten des Reinhardswalds, tauchen auf einer Bergkuppe die Zwiebeltürme eines verträumten Jagdschlosses auf. Der Legende nach von einer Dornhecke umrankt: das Dornröschenschloss Sababurg. Weiter geht die märchenhafte Reise durch die Region zum sagenhaften Hohen Meißner, dem Hausberg von Frau Holle. Die Reise setzt sich in Richtung Süden nach Bad Hersfeld, einem früheren Zentrum der Tuchmacherei, fort. War dies einst die Heimat eines besonders Tapferen seiner Zunft? Westlich der Kur- und Festspielstadt durchstreift ein Mädchen die Schwalm. Weit leuchtet die typisch rote Kopfbedeckung ihrer Schwälmer Tracht. Man wünscht ihr, dass sie sich nicht verirrt in den dichten Wäldern des Knüllgebirges. Zum Schluss ein Abstecher ins Herz der Region, nach Kassel.

Hier durchwanderten vor 200 Jahren zwei Gelehrte den Bergpark Wilhelmshöhe. Ob sie einen Blick für dessen Pracht hatten? Oder kreisten ihre Gedanken auch in den Mußestunden um die Geheimnisse der Sprache, die sie erkunden wollten? Und um die Herkunft der Märchen und Sagen, die ihnen von zahlreichen Quellen zugetragen wurden? Heute kennt jedes Kind die Namen dieser Gelehrten: Jacob und Wilhelm Grimm. Natürlich können wir die Märchen der Brüder Grimm nicht verorten. Doch unsere Region, in der die beiden den größten Teil ihres Lebens verbrachten, fühlt sich dem Erbe von Jacob und Wilhelm Grimm in besonderer Weise verbunden.

Schneewittchen

Der Lehrer und Heimatforscher Eckard Sander hat für das Märchen „Schneewittchen“ eine Heimat gefunden – und zwar Bad Wildungen. Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen Märchen und regionaler Geschichte. Die Grafentochter Margaretha von Waldeck lebte im 16. Jahrhundert auf Schloss Friedrichstein in Bad Wildungen. Sie war außerordentlich schön und hatte mit Katharina von Hatzfeld eine strenge Stiefmutter. Im Alter von 21 Jahren starb die schöne Margaretha unter ungeklärten Umständen. Die Chronik behauptet, sie sei vergiftet worden. 

Und noch eine weitere Parallele zeigt sich in der Heimatgeschichte von Bad Wildungen: Nicht weit von Schloss Friedrichstein entfernt liegt das ehemalige Bergmannsdorf Bergfreiheit. Zur Lebenszeit von Margaretha von Waldeck war Hochbetrieb im Bergbau. Schon Kinder wurden zu dieser beschwerlichen Arbeit in den Stollen herangezogen. Dunkelheit und unzureichende Ernährung beeinträchtigten ihr Wachstum. Nicht zuletzt die Filzmützen, mit denen die Bergleute unter Tage ihre Köpfe schützten, entsprechen der heutigen Vorstellung von den Zwergen aus Grimms Märchen.

Heute ist Bergfreiheit das Schneewittchendorf im Kellerwald. Im Schneewittchenhaus – einem ehemaligen Bergmannshaus – wohnt die schöne Prinzessin. Sie öffnet ab und an ihre Pforten und gibt Besuchern in historischen Räumen Einblicke in den Alltag der Bergleute. Vielleicht erhascht der ein oder andere Gast ja auch einen märchenhaften Moment – ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

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